Verbandswelt

Hand drauf: ADK-Verhandlungsführer Thomas Hofmann und IG BCE-Verhandlungsführerin Katharina Stihler besiegeln den neuen Tarifvertrag.

Foto: Rico THUMSER / Picture-Alliance

»24 Monate Laufzeit geben unseren Firmen wichtige Planungs­sicherheit.«

Thomas Hofmann

»Einigung mit Augenmaß«

Lohnplus, Mitgliederbonus, mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit: ADK-Verhandlungsführer Thomas Hofmann spricht über die Hintergründe der neuen Tarifeinigung in der Kautschukbranche

Interview von Isabel Link

Nach zähen Verhandlungen steht ein neuer Tarifver­trag für die rund 70.000 Beschäftigten der deutschen Kautschuk­industrie. Am 27. Juni einigten sich Arbeit­geber und IG BCE in der dritten Verhandlungsrunde in Hannover. Im Interview spricht Thomas Hofmann, Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbands der deutschen Kautschukindustrie (ADK), über Entlastung in schwieriger Lage, Zugeständnisse bei der Flexibilität und den schwierigen Weg zur Einigung.

Herr Hofmann, in der dritten Verhandlungsrunde konnten Sie eine Einigung mit der Gewerkschaft erzielen. Wie bewerten Sie den Kompromiss?

Hofmann: Ich glaube, uns ist ein für beide Seiten vorzeigbarer Abschluss gelungen. Für die Arbeitgeber konnten wir drei wesentliche Ziele realisieren, die wir uns vor den Verhandlungen vorgenommen hatten. Einerseits brauchten wir einen Abschluss, der unsere Betriebe in der momentan schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht zusätzlich belastet. Mit der Gewerkschaft haben wir uns auf zwei prozentuale Lohnerhöhungen in Höhe der Inflation verständigt. Das ist vertretbar und notwendig. Zum anderen haben wir durch die lange Laufzeit von 24 Monaten eine Planungssicherheit erreicht, die die Firmen dringend benötigen. Und wir haben es geschafft, den Grad der Flexibilität unserer Firmen wieder zu erhöhen. Künftig liegt die Entscheidung, ob im Rahmen einer früheren Tarifvereinbarung ein Drittel des Monatsgehalts ausgezahlt oder sechs Tage zusätzliche Freizeit genommen werden, wieder bei den Betriebsparteien.

Warum war den Arbeitgebern gerade der Punkt der Flexibilität so wichtig?

Bisher konnte jeder Mitarbeitende selbst entscheiden, ob er Geld oder Freizeit wählen möchte. Das machte es für die Unternehmen enorm schwierig, speziell Produktionsverfügbarkeiten verlässlich zu planen. Daher war es uns wichtig, diese Entscheidungskompetenz zurückzuholen und wieder in die Hände von Geschäftsführung und Betriebsrat zu legen.

Intensiver Austausch: Zur zweiten Verhandlungsrunde trafen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Leipzig.

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Der Preis für diese Flexibilität war allerdings ein Gewerkschaftsbonus, mindestens für die Laufzeit des Tarifvertrags.

Das ist in der Tat ein Zugeständnis, das uns nicht leichtgefallen ist. Wir Arbeitgeber haben intensiv darüber diskutiert, wie wir mit dieser Forderung umgehen wollen. Ihre Erfüllung war jedoch Voraussetzung dafür, dass der Abschluss zustande kam. Nun ist es Aufgabe der Betriebsräte, dieses Ergebnis intern zu kommunizieren undzu erklären.

Der Abschluss kam erst in der dritten Verhandlungsrunde zustande, für die vorigen Tarifverträge haben jeweils zwei Runden ausgereicht. Woran lag die Verzögerung?

Schlicht und ergreifend an der Komplexität der Thematik, über die wir gerade gesprochen haben. Die Umsetzung des Gewerkschaftsbonus ist für uns als Unternehmen eine sehr herausfordernde Angelegenheit. Das hat unter anderem dazu geführt, dass wir uns zwischen den drei Verhandlungsrunden mehrmals in der sogenannten technischen Kommission mit der Gewerkschaft treffen und uns sehr intensiv mit der Ausgestaltung auseinandersetzen mussten. Dadurch wurden diese Verhandlungen deutlich aufwendiger als in früherenVerhandlungen.

Die wirtschaftliche Lage der Betriebe in der Kautschuk- und Kunststoffbranche gestaltet sich sehr unterschiedlich. Einige können sich über ihren Umsatz nicht beschweren. Viele andere, vor allem solche mit Nähe zur Automobil­industrie, haben jedoch teils massive Schwierigkeiten. Wie trägt der Abschluss dieser Unterschiedlichkeit Rechnung?

Er definiert eine Kostenbelastung, die der Inflationsrate entspricht, und somit auch in wirtschaftlich schwieriger Lage vertretbar ist. Hinzu kommen die Planungssicherheit und die Flexibilität bei der Wahl zwischen Geld und Freizeit. Für Unternehmen, denen es wirtschaftlich eher schlecht geht, ist die Möglichkeit, solche Dinge variabel entscheiden zu können, einhohes Gut.

Kautschuk- Tarifabschluss: Das wurde vereinbart

In der dritten Verhandlungsrunde haben sich die Arbeitgeber der deutschen Kautschukindustrie (ADK) mit der Gewerkschaft IG BCE auf einen neuen Tarifvertrag für die bundesweit rund 70.000 Beschäftigten der deutschen Kautschuk- und Kunststoffindustrie geeinigt. Dieser gilt bis zum 31. Mai 2027 und enthält folgende Vereinbarungen:

  • Zum 1. Januar 2026 werden die Löhne und Gehälter um 2,1 Prozent erhöht.
  • Zum 1. Dezember 2026 werden die Löhne und Gehälter um 2,2 Prozent erhöht.
  • Auszubildende erhalten jeweils 40 Euro mehr Lohn.
  • Eine Einmalzahlung für Gewerkschaftsmit­glieder in Höhe von 450 Euro im Jahr 2025.
  • Ab 2026 jährlich ein Bonus für Gewerkschaftsmitglieder in Höhe von 428 Euro, der ab 2027 tarifdynamisch ausgestaltet ist.
  • Die Entscheidungshoheit, ob ein Drittel zusätzliches Monatsgehalt aus einer früheren Tarifvereinbarung ausgezahlt wird oder in Freizeit umgewandelt werden kann, geht zukünftig in die Hände der Betriebsparteien und kann nicht mehr individuell von jeder Arbeit­nehmerin und jedem Arbeitnehmer selbst entschieden werden.