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Wirtschaft und Verteidigung

Für mehr Sicherheit: Der professionelle Umgang mit den Altlasten des Zweiten Weltkriegs

Foto: Roman Thomas

Deutschland investiert verstärkt in die Modernisierung seiner Verteidigungsfähigkeit, um im Bündnis mit der NATO auf mögliche Bedrohungen vorbereitet zu sein. Gleichzeitig sind die Folgen vergangener Kriege noch immer allgegenwärtig: Täglich stoßen Fachunternehmen wie die SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung GmbH – A SOCOTEC Company auf Blindgänger, Granaten und Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg.

Von Isabel Link

Rund 100.000 Tonnen Blindgänger liegen laut offiziellen Schätzungen noch immer unter Städten, Wäldern, Autobahnen und Bahnstrecken in Deutschland. Hinzu kommt eine unbekannte Menge an Kampfmitteln, die sich in der Nord- und Ostsee befindet und eine Gefahr sowohl für das Ökosystem als auch für die Schifffahrt darstellt. Jährlich werden etwa 5.000 Tonnen Munition­ entschärft. Besonders die Beseitigung im Meer gestaltet sich aufgrund strenger Umweltauflagen schwierig. »Die Bergung und Vernichtung all dieser Kampfmittel werden noch viele Jahrzehnte dauern«, sagt Sven Bartholomäus. Diese Altlast aus vergangenen Kriegen ist ein Erbe, das für das Celler ­Unternehmen SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung, das Bartholomäus seit April gemeinsam mit Tanja Lange führt eine dauerhafte und verantwortungsvolle Aufgabe mit sich bringt.

Bundesweit beschäftigt SCHOLLENBERGER rund 420 Mitarbeitende, die meisten davon arbeiten auf den Räumstellen, bei denen Kampfmittelsondierungen erforderlich sind. Anlass dafür sind Bauprojekte, bei denen Luftbildaufnahmen ausgewertet werden und Hinweise auf Blindgänger bestehen. In Deutschland muss ein Bauherr oftmals nachweisen, dass sein Grundstück kampfmittelfrei ist. Größtes und langwierigstes Projekt ist das ehemalige »Bombodrom« bei Wittstock in Brandenburg. Auf dem elf Quadratkilometer großen Gelände, das die sowjetische Armee jahrzehntelang für Schießübungen nutzte, bergen die Experten seit 2018 vor allem Streumunition.

Duo mit vielen Ideen: Sven Bartholomäus und Tanja Lange führen die SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung seit April 2025.

Foto: Michael Wallmüller

Mit schwerem Gerät: Bei großen Infrastrukturprojekten wie dem Neubau von Bundesstraßen muss der Untergrund auf Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg untersucht werden.

Foto: Roman Thomas

Hightech und Manpower

Bergungsarbeiten von Kampfmitteln sind mit Gefährdungs­potenzialen verbunden. Entsprechend wichtig sind Sicherheitsmaßnahmen, die beim Celler Unternehmen bis ins kleinste­ Detail umgesetzt und gelebt werden. Dabei unterstützt ein hoher Grad an Digitalisierung die Arbeit auf den Räumstellen. Drohnen scannen Flächen, Vermessungen erfolgen zentimetergenau, und aus den Daten entstehen 3D-Modelle, die Anomalien vor Ort anzeigen. Doch Technik hat ihre Grenzen. Wo Messungen durch von Metallen durchsetzte Böden oder Metall­teile wie Gleise gestört werden, ist »Manpower« unverzichtbar. »Auf dem Truppenübungsplatz Wittstock arbeiten teilweise über hundert Mitarbeitende mit Spaten und Messgeräten«, sagt Bartholomäus. Finden sie etwas, wird der Verdachtsfall vorsichtig freigelegt, identifiziert und die gefundene Munition je nach Zustand verlagert oder vor Ort gesprengt.

Auch wenn vereinzelt Kampfmittel der Bundeswehr geräumt werden müssen, so stammt die Masse der sich im Boden befindenden Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg. »Ob bei einer großen Bombe oder einer kleinen Granate: Entscheidend ist immer das Zündsystem. Denn dieses zeigt an, wie man damit umgeht. Das heißt, ob man es sprengen muss oder entsorgen kann«, erklärt Bartholomäus. Moderne Munition sei meist besser dokumentiert, während bei Weltkriegsmunition oftmals keine Datenblätter oder Ähnliches vorliegen. Muss gesprengt, entsorgt und vernichtet werden, übernehmen in der Regel die staatlichen Kampfmittelräumdienste. Nur auf Bundes­liegenschaften wie Truppenübungsplätzen darf SCHOLLENBERGER selbst sprengen.

»Ob bei einer großen Bombe oder einer kleinen Granate: Entscheidend ist immer das Zündsystem.«

Sven Bartholomäus

Eigene Ausbildungsprogramme für nachhaltigen Erfolg

Die Menge der zu räumenden Kampfmittel sowie die zahlreichen Bau- und Infrastrukturprojekte machen die Branche attraktiv. Viele kleine Unternehmen haben den Markt in den vergangenen Jahren für sich entdeckt. SCHOLLENBERGER gehört seit 2018 zur international tätigen SOCOTEC Gruppe und ist dadurch auf große und komplexe Projekte spezialisiert und kann zusätzliche Expertise anbieten etwa in der Vermessungstechnik oder im Bauwesen.

Die Mitarbeitenden bei SCHOLLENBERGER sind oftmals Quereinsteiger mit technischer Affinität vom Koch bis zum Handwerker, manche mit Bundeswehrerfahrung. »Diese Vielfalt ist ein großer Vorteil, weil die Menschen ihre verschiedenen Fähig­keiten einbringen und Herausforderungen besser meistern können«, betont Lange. Doch auch SCHOLLENBERGER spürt den Fachkräftemangel, vor allem im Außendienst. »Die Position des Truppführers ist kein klassischer Ausbildungs­beruf, weshalb wir Menschen erst einmal dafür begeistern müssen«, sagt Lange. »Diese Arbeit erfordert Verantwortung und Führungsstärke, und wir wollen Sicherheit und Perspektiven bieten.« Dafür hat SCHOLLENBERGER eigene Ausbildungsprogramme geschaffen: Neben dem seit Jahren etablierten Traineeprogramm gibt es inzwischen auch spezielle Ange­bote für Quereinsteiger sowie ein Qualifizierungsprogramm, das den Weg bis hin zum Truppführer mit Befähigungsschein nach § 20 SprengG ebnet.

Herausforderung: Metallteile wie Bahngleise sind ein Hindernis für die Messtechnik.

Foto: Michael Wallmüller

Technik hilft: Mithilfe von Drohnen kann der Boden bis zu einem Meter tief gescannt werden.

Foto: Michael Wallmüller

Sinnvolle Arbeit mit Verantwortung und Perspektive

Bei SCHOLLENBERGER arbeiten Menschen, die mit ihrer täglichen Arbeit für die Sicherheit von Menschen und Umwelt sorgen. Es ist ein Job, der herausfordert und mit viel Verantwortung verbunden ist. Bei SCHOLLENBERGER finden Mitarbeitende einen Arbeitgeber, der Perspektiven schafft und Wertschätzung lebt. Zum Beispiel durch erweiterte Angebote in der betrieblichen Altersvorsorge, zusätzliche Gesundheitsleistungen ­sowie attraktive Bonusangebote.

Auch die Digitalisierung der unternehmensinternen Verwaltung macht das Arbeiten bei SCHOLLENBERGER interessant. Papierarbeit vor allem auf den Räumstellen soll reduziert werden, um Prozesse zu verschlanken und Fehlerquellen zu verringern, etwa bei der Übertragung von 3D-Modellen von der Räumstelle. »Darüber hinaus arbeiten wir mit einem eigenen, in der SOCOTEC Gruppe­ entwickelten KI-Assistenten, der bei Textarbeiten, Recherchen, Tabellen und Auswertungen unter­stützt«, sagt Lange. Dazu dürfte ein Aspekt vor allem bei jungen Menschen, die Wert auf die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit legen, ankommen: Wer bei SCHOLLENBERGER arbeitet, der macht die Welt jeden Tag ein kleines bisschen sicherer.