Foto: Henning Scheffen
Niedersachsen kann selbstbewusst nach vorn blicken – denn Niedersachsen kann Zukunft!
Olaf Lies
Ohne Niedersachsen wird in Deutschland kaum etwas gehen
Die Zukunft der niedersächsischen Automobilindustrie, Bürokratieabbau und Rüstungswirtschaft: Im Interview spricht Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies über seine Pläne für den Wirtschaftsstandort und warum er überzeugt ist, dass die Bayern in zehn Jahren voller Neid auf Niedersachsen blicken werden.
Herr Lies, Sie kennen die Landespolitik aus dem Effeff, waren bereits Niedersächsischer Umwelt- und zweimal Wirtschaftsminister. Im Vergleich dazu: Worin liegt die größte Umstellung in Ihrer neuen Rolle als Ministerpräsident des Landes?
Ich bringe aus beiden Ämtern viel mit. Als Umweltminister habe ich mit dem Niedersächsischen Weg vermeintlich unvereinbare Ziele wie Klimaschutz, Landwirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung zusammengebracht. Das hat meinen Blick auf politische Gestaltung stark geprägt. Als Wirtschaftsminister stand die Frage im Mittelpunkt, wie Transformation gelingt. Nicht nur als notwendiger Prozess, sondern als echte Chance. Diese Überzeugung trage ich heute als Ministerpräsident weiter. Was sich verändert hat: Meine Perspektive ist nun noch umfassender, Themen wie Bildung oder Gesundheit und Pflege spielen eine stärkere Rolle. Insgesamt geht es mir darum den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, dass unsere Demokratie funktioniert, dass der Staat Probleme löst, dass Schulen und Brücken saniert und Kitas gebaut werden. Niedersachsen ist ein vielfältiges Land mit großartigen Menschen, und genau das macht die Aufgabe des Ministerpräsidenten so spannend: die Gesamtverantwortung für ein Land zu tragen, das im Wandel steckt und in dem dieser Wandel aktiv gestaltet werden muss.
Sie haben in Ihrer Garage einen waschechten Oldtimer, einen VW TL 1600 von 1969 – und Sie gelten als Fan der E-Mobilität. Was sagen diese Fahrzeugvorlieben über den Politiker Olaf Lies aus?
Ich bin Ingenieur. Technik fasziniert mich, egal ob aus dem Jahr 1969 oder von heute. Mein Oldtimer steht für eine Leidenschaft, für Design, Handwerk und das Gefühl, wie sich Technik früher angefühlt hat. Aber E-Mobilität ist die Zukunft, da gibt es für mich keinen Zweifel. Wir werden noch lange mit Verbrennern unterwegs sein und niemandem soll der Spaß daran genommen werden. Aber klar ist auch: Mobilität muss künftig nicht nur klimafreundlich, sondern auch bezahlbar bleiben. Ab 2027 wird der europäische Emissionshandel auch auf den Verkehrssektor ausgeweitet. Das wird sich perspektivisch auch bei den Kraftstoffpreisen bemerkbar machen. Und bei den E-Fuels stehen da für mich viel zu viele Fragezeichen hinsichtlich Preis und Verfügbarkeit.
Ein zentrales Thema, das die Unternehmen massiv umtreibt, ist die Bürokratie. Die Politik verspricht gebetsmühlenartig, sie zu verschlanken, aber viel passiert ist bislang nicht. Haben Sie eine Erklärung, warum wir uns – generell in Deutschland – mit Entbürokratisierung so schwertun?
Weil jede Regel einmal aus gutem Grund eingeführt wurde. Meistens, weil jemand den Anspruch hatte, etwas gerechter, sicherer oder besser zu machen. Aber wir haben es uns zur Gewohnheit gemacht, diese Regeln kaum mehr infrage zu stellen, auch wenn sich die Umstände längst verändert haben. Das führt zur Überregulierung. Wir brauchen eine neue Balance: Der Staat muss dort klar und konsequent handeln, wo es notwendig ist, aber er muss auch wieder lernen, Verantwortung abzugeben, Vertrauen zuzulassen. Entbürokratisierung ist kein einmaliger Akt, sondern ein dauerhafter Kulturwandel. Und er braucht nicht nur Gesetze, sondern auch den Mut, an Verwaltung und Prozesse ranzugehen.
Richtungsweisend: Bei seinem Antrittsbesuch schenkte Dr. Volker Schmidt dem Ministerpräsidenten einen Kompass.
Foto: Daniel Heitmueller
Wie schätzen Sie die momentane wirtschaftliche Lage in unserem Bundesland ein, wie gelingt der Aufschwung?
Die wirtschaftliche Lage ist herausfordernd, das lässt sich nicht schönreden. Gerade exportorientierte Branchen, etwa die Automobilindustrie, spüren die Unsicherheit auf den Weltmärkten und die Belastungen durch neue Handelsbarrieren wie US-Zölle. Aber Niedersachsen hat große Chancen und zeigt immer wieder, dass wir Tempo machen können, wenn es drauf ankommt: Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven in Rekordzeit, Genehmigungen für Großprojekte wie die neue Fertigung von Rheinmetall in Unterlüß in wenigen Monaten, das ist eine neue Qualität, an die wir anknüpfen. Dazu kommt unsere geografische Lage, unsere Häfen, unsere Infrastruktur – all das macht Niedersachsen zu einem Standort mit Zukunft. Besonders mit Blick auf Erneuerbare Energie: Wir haben sie hier und sie muss dort, wo sie verfügbar ist, auch günstiger sein. Entscheidend ist, dass wir jetzt investieren: in Infrastruktur, in Digitalisierung, in Innovation. Dann wird aus Krise auch eine Chance für einen neuen Aufschwung.
Niedersachsen galt nicht nur wegen Volkswagen immer als Autoland. Allerdings steht kaum eine andere Industriesparte derart unter Druck wie Automotive. Welche Perspektiven hat die Branche in Niedersachsen?
Die Herausforderungen sind groß – das zeigen die Zahlen der vergangenen Monate sehr deutlich. Gewinnrückgänge, Absatzschwächen, dazu neue Handelshemmnisse – alles keine spezifischen Probleme von Volkswagen, sondern der europäischen Automobilindustrie insgesamt. Aber: Die Branche ist in Bewegung und sie investiert massiv in Zukunftstechnologien. Gerade Volkswagen sendet aktuell wieder positive Signale, etwa mit Investitionen in Elektromobilität und Digitalisierung. Als Politik müssen wir den Wandel noch stärker flankieren: mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur, mit besseren Rahmenbedingungen für E-Mobilität – etwa durch bezahlbaren Strom –, aber auch mit Unterstützung beim Thema Transformation in den Betrieben. Automotive bleibt ein Rückgrat unserer Industrie. Wenn wir jetzt die richtigen Weichen stellen, kann Niedersachsen nicht nur Autoland bleiben, sondern Mobilitätsstandort der Zukunft werden.
»Wenn wir jetzt die richtigen Weichen stellen, kann Niedersachsen nicht nur Autoland bleiben, sondern Mobilitätsstandort der Zukunft werden.«
Olaf Lies
Europa rüstet auf. Sie hatten das Thema Defense frühzeitig auf Ihrer Agenda. Welches Potenzial hat die Rüstungswirtschaft in Niedersachsen vor dem Hintergrund des NATO-5-Prozent-Ziels?
Niedersachsen ist das Bundeswehrland Nummer eins. Mit großen Standorten, zentralen Logistikknotenpunkten und einer leistungsfähigen Industrie. Im Rahmen des O-Plans Deutschland nehmen wir eine Schlüsselrolle ein, nicht zuletzt auch hier durch unsere Häfen und die geografische Lage. Diese Position eröffnet große Chancen für die niedersächsische Wirtschaft, aber es ist kein Selbstläufer. Deshalb bringen wir als Landesregierung Unternehmen, darunter viele Mitglieder von NiedersachsenMetall, an einen Tisch. Wir diskutieren gemeinsam, wie Investitionen genutzt und wie Wertschöpfung in Niedersachsen gehalten werden kann. Das Ziel ist klar: Wir wollen, dass die heimische Industrie an dem sicherheitspolitischen Aufbruch teilhat und dabei auch international wettbewerbsfähig bleibt.
Auf der Rüstungsbranche ruhen zum Teil große volkswirtschaftliche Hoffnungen. Könnte sie in Niedersachsen langfristig den prognostizierten Rückgang der Autoindustrie kompensieren?
Es geht nicht darum, die eine Branche durch eine andere zu ersetzen. Wir wollen und werden auch künftig eine starke Automobilindustrie in Niedersachsen haben. Gleichzeitig müssen wir unsere industrielle Basis verbreitern. Deshalb investieren wir auch in andere Schlüsselindustrien und unterstützen diese – etwa für grünen Stahl, für die Metall- und Elektroindustrie, für die maritime Wirtschaft oder die Offshore-Windenergie und die chemische Industrie. Das alles sind Bereiche mit großem Potenzial für Wertschöpfung und Beschäftigung. Was wir dafür brauchen, ist ein klares Standortprofil: bezahlbare Energie, gute Infrastruktur, Fachkräfte und schnelle Genehmigungen. Wenn wir das schaffen, sichern wir nicht nur bestehende Jobs, wir schaffen neue. Auch in der Rüstungsindustrie, aber eben nicht ausschließlich dort.
In die Zukunft geblickt: Womit wird sich Niedersachsen in zehn, fünfzehn Jahren im Standortwettbewerb behaupten?
Wir werden über eine stabile, saubere und unabhängige Energieversorgung verfügen – das ist ein echter Standortvorteil. Unsere Häfen, Schienennetze und Straßeninfrastruktur sind weiterentwickelt und wettbewerbsfähig, unsere Energieleitungen versorgen den Rest der Republik mit Strom, Gas und Wasserstoff. Ohne Niedersachsen wird in Deutschland kaum etwas gehen, auch wenn das für Bayern schwer erträglich sein wird. Wir werden Fachkräfte haben, die gut ausgebildet sind, durch starke Hochschulen, berufliche Bildung und gezielte Fachkräftezuwanderung. Und wir werden Verfahren und Prozesse haben, die schneller, einfacher und digitaler sind als heute. All das sorgt dafür, dass Investitionen leichter möglich sind, Innovationen schneller umgesetzt werden können und dass Niedersachsen ein selbstbewusstes Land bleibt. Niedersachsen kann Zukunft!
Ohne Niedersachsen wird in Deutschland kaum etwas gehen: Der neue Ministerpräsident sieht viel Potenzial im Land.
Foto: Henning Scheffen