Arbeitswelt

Foto: Politikjournal Rundblick Niedersachsen

Wir beher­bergen die einzige universi­täre Gießerei in einem Industriebetrieb. Es ist eine Win-Win-Situation.

Gerd Röders

Wo Wirtschaft und Wissenschaft verschmelzen

Die Aluminiumgießerei G.A. Röders beherbergt seit über 15 Jahren das Leichtmetallzentrum Soltau, Europas einzige Universitätsgießerei in einem Industriebetrieb. Firmenchef Gerd Röders und der wissenschaftliche Geschäftsführer des Zentrums, Dr.-Ing. Norbert Hoffman, erklären, wie es zu dieser ungewöhnlichen Kooperation kam und welche Vorteile sie für Wirtschaft und Wissenschaft bietet.

Von Isabel Link

Um mit der Praxis in Kontakt zu kommen, müssen sich Jan Nordmeier und Slava Pachandrin nur umdrehen. Denn gleich hinter ihrer Forschungsanlage, am regulären Gießtisch, steht Gießmeister Darel Mielewczyk und fertigt Aluminiumbauteile für die G.A. Röders GmbH. Brauchen die beiden Doktoranden der TU Braunschweig Unterstützung beim Rüsten ihrer Anlage, reicht ein kurzes Wort über die Schulter. Und wenn der junge Gießmeister über neue Erkenntnisse in der Aluminiumforschung fachsimpeln möchte, kann er das tun, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Näher lassen sich Wissenschaft und Wirtschaft kaum zusammenbringen.

Möglich macht das eine einzigartige Kooperation: Das Leichtmetallzentrum ist eine Außenstelle des Instituts für Füge- und Schweißtechnik der Technischen Universität Braunschweig und direkt in eine Produktionshalle der G.A. Röders integriert. »Wir beherbergen die einzige universitäre Gießerei in einem Industriebetrieb«, sagt Gerd Röders, Geschäftsführer des Familienunternehmens in Soltau in der Lüneburger Heide. Seinen Ursprung hat das Zentrum in den achtziger Jahren, als das Institut in Braunschweig als eine der ersten Universitäten begann, im Bereich Aluminiumdruckguss zu forschen. Damals gründete sich eine Fördergemeinschaft aus Firmen, die Interesse an der Weiterentwicklung des Verfahrens hatten, darunter Maschinenhersteller, Metallproduzenten, Chemieunternehmen und weitere Gießereien. »Wettbewerber sind uns willkommen. Hier geht es um Austausch und das Ziel, die Aluminiumdruckgusstechnik für alle voranzubringen«, sagt Röders.

Ein Herz für Aluminium: Dr. Norbert Hoffmann (l.) und Gerd Röders

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Forschung zum Anfassen, nicht im Elfenbeinturm

Die beteiligten Unternehmen finanzierten dem Institut eine eigene Anlagentechnik, die zunächst in Braunschweig aufgebaut wurde. Doch bald zeigte sich, dass die Wartung der empfindlichen Maschine für das Institut eine große Belastung war. Gleichzeitig hatte G.A. Röders freie Flächen in der Halle, und so bot Röders an, die Druckgusszelle nach Soltau zu verlagern. »Die Uni forscht, unser Fachpersonal wartet die Technik. So werden Doktoranden nicht zu besseren Schlossern ausgebildet«, erklärt er. Die Kooperation bietet Vorteile für beide Seiten: Die Universität erhält direkten Zugang zu industriellen Produktionsprozessen, während das Unternehmen von aktuellen Forschungsergebnissen profitiert. So entstanden bereits Projekte wie ein katalytischer Wasserstoffbrenner zum Aluminiumschmelzen oder die Nachrüstung älterer Maschinen mit kostengünstiger Sensorik zur Energieoptimierung. Im Transferprojekt »EKoREK – Entwicklung eines Konzeptes zur Reduktion der Energiekosten bei energieintensiven KMU am Beispiel von Druckguss« arbeitet das Team derzeit daran, die extremen Leistungsspitzen beim Druckguss abzufedern – ein Beitrag zu niedrigeren Stromkosten und stabileren Netzen. Das Projekt wird durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) gefördert und vom Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN) koordiniert.

Seit 2021 leitet Dr.-Ing. Norbert Hoffmann als wissenschaftlicher Geschäftsführer das Leichtmetallzentrum. Er bringt über 20 Jahre Industrieerfahrung mit und setzt auf praxisnahe Forschung: »Die Doktoranden sind im ständigen Austausch mit den Mitarbeitern der Gießerei. Sie sehen, wo es in der Fertigung drückt, und die Mitarbeiter erleben, dass auch ein traditionelles Gewerbe wie die Gießerei hochmodern ist. Das ist Forschung zum Anfassen, nicht im Elfenbeinturm.« Gießereitechnik sei die Königsdisziplin des Maschinenbaus, betont er: »Hier verbinden wir Maschinenbau, Hydraulik, Elektronik, Messtechnik, Thermodynamik und Metallurgie.« Die gefertigten Teile finden ihren Einsatz in der Automobilindustrie, der Medi­zintechnik, der Luftfahrt und im klassischen Maschinenbau. Vier wissenschaftliche Mitarbeiter, allesamt Doktoranden, und bis zu sieben studentische Hilfskräfte arbeiten regelmäßig in Soltau. Sie testen neue Verfahren und entwickeln Lösungen für aktuelle Herausforderungen der Branche, von Kreislaufwirtschaft über Energieeffizienz bis hin zur Künstlichen Intelligenz.

Mit Künstlicher Intelligenz den Fachkräftemangel ausgleichen

Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der KI-Forschung. Jan Nordmeier, der im vergangenen Jahr mit 21 Jahren als jüngster Doktorand der TU Braunschweig ins Leichtmetallzentrum kam, beschäftigt sich mit der Frage, wie Künstliche Intelligenz Prozesse transparenter machen und Abweichungen frühzeitig erkennen kann. »Die Technik soll Mitarbeitende unterstützen, die nicht mehr so tief qualifiziert sind wie ihre Vorgänger«, sagt Hoffmann. Denn auch bei G.A. Röders macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar. »Erfahrene Gießer kennen ihre Maschinen in- und auswendig und hören sofort, wenn etwa eine Schmierung fehlt«, erklärt Röders. »Aber diese erfahrenen Mitarbeiter werden immer weniger. Predictive Maintenance soll uns helfen, diese Defizite auszugleichen und gleichzeitig unsere Anlagen produktiver zu betreiben.«

Für ihn ist deshalb klar: Kooperationen wie das Leichtmetallzentrum sind ein Modell für die Zukunft. »Wir müssen Dinge machen, die uns helfen. Seitdem wir hier immer Doktoranden haben, profitieren meine Mitarbeiter und meine Firma.« Hoffmann ergänzt: »Es ist eine Win-Win-Situation. Die Industrie bekommt praxisrelevante Lösungen, und die Forschung hat einen direkten Draht zur Realität

KI trifft Industrie: Die Doktoranden Slava Pachandrin (l.) und Jan Nordmeier

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