
Aluminium aus der Haute Cuisine
Bei LEICHTMETALL Aluminiumgießerei Hannover ist Qualität alles. Die mittelständische Firma aus Hannover beliefert mit ihren Aluminiumrundbarren weltweit zahlreiche namhafte Unternehmen und Konzerne, vor allem in der Luft- und Raumfahrt.
Sterneküche ist kein Wort, das einem als Erstes in den Sinn kommt, wenn man durch die Hallen der LEICHTMETALL Aluminiumgießerei Hannover geht. Feiner Staub liegt in der Luft, es riecht nach Metall. Riesige Gießtische stehen bereit, um das geschmolzene Aluminium in Kokillen zu leiten, deren Umfang breiter sein kann als jeder Großküchenkochtopf. Direkt hinter der Gießbühne stehen an einer Wand drei gut sechs Meter hohe Homogenisierungsöfen, die bis zu 60 Tonnen Aluminium fassen. Das Metall wird darin bis zu 120 Stunden bei um die 500 Grad Celsius kontrolliert aufgeheizt, wärmebehandelt und kontrolliert abgekühlt. Alles hier atmet geradezu Industrie. Und doch hat die Gießerei mit einem Genusstempel einiges gemeinsam. Vor allem ihr Erfolgsgeheimnis: Höchste Qualität und das permanente Streben nach Perfektion.

Bereit für den Schmelzofen: Primäraluminium von Emirates Global Aluminium, dem neuem Eigentümer der LEICHTMETALL.

Rundbarren für viele Zwecke: CFO Harm Lange vor den Produkten der Firma.
Mit rund 65 Mitarbeitern ist die Firma im südlichen Stadtgebiet von Hannover für eine Gießerei eher klein. Auch, weil keine Strangpresse oder Schmiede angeschlossen ist. Und über den Output dürften die meisten großen Hersteller eher müde lächeln. Rund 35.000 Tonnen Aluminiumrundbarren produziert die Firma pro Jahr und recycelt dabei im Schnitt 75 bis 80 Prozent Sekundäraluminium. »Wir sind ein absoluter Nischenhersteller«, sagt Harm Lange, CFO von LEICHTMETALL. »Wir machen das, was kein anderer machen will oder kann.« Wobei die Betonung auf »kann« liegt. Denn wo die meisten anderen Hersteller auf Masse setzen, setzt die LEICHTMETALL vollständig auf Klasse. Die LEICHTMETALL hat sich darauf spezialisiert Aluminium in über hundert verschiedenen Legierungen in den Durchmesserbereichen von 140 mm bis 1.100 mm anzubieten – und ist in der Lage, nahezu jeden Sonderwunsch zu erfüllen. »Stellen Sie sich das vor wie bei einer Tomatensuppe«, sagt Lange. »Der Eine mag sie etwas süßer, der Andere etwas salziger, der Dritte möchte eine mediterrane Note und der Vierte so tomatig wie möglich. Um jeden dieser unterschiedlichen Geschmäcker zu treffen, muss man schon ein Spitzenkoch sein.«
»Um jeden der unterschiedlichen Geschmäcker unserer Kunden zu treffen, muss man schon ein Spitzenkoch sein.«
Harm Lange
Perfektes Material für den Weltraum
Zum Einsatz kommt das Aluminium von LEICHTMETALL in vielen Anwendungsbereichen. Aufgrund der Eigenschaften vorwiegend in der Luft- und Raumfahrt, zum Beispiel in Form von Hydraulikleitungen oder Teilen, die die Flügel eines Flugzeugs mit dem Rumpf verbinden. Aber auch Hüllen für Satelliten werden aus den Aluminiumrundbarren von LEICHTMETALL gefertigt. »Das Metall ist ideal für den Einsatz im Weltraum«, erklärt Lange. »Zum einen ist es mit einer Zinklegierung so belastbar wie Stahl, aber um ein Vielfaches leichter. Und zum anderen verglüht Aluminium beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre rückstandslos.« Ein Drittel aller von LEICHTMETALL produzierten Rundbarren geht in die Luft- und Raumfahrt, ein Zehntel in den Bereich Defence. Und gut 30 bis 40 Prozent kommen in den Metallhandel. Was genau über diesen Weg mit dem Vormaterial passiert und wer es verwendet, erfahren Lange und seine Kollegen oft nur durch Zufall. Es kann beispielsweise Anwendung im Automotive-Bereich finden, aber auch im Baugewerbe oder im schweren Maschinenbau. Dort zum Beispiel als zentrales Bauteil, damit sich Windkrafträder drehen können.
»Allerdings greifen die Hersteller solcher Teile meist erst dann zu unserem Material, wenn spezielle Anforderungen zu erfüllen sind und es sich auch lohnt, mehr Geld auszugeben«, sagt Lange. Denn die Qualität, die LEICHTMETALL anbietet, hat ihren Preis. Und der ist gerechtfertigt, wenn man sich ansieht, wie aufwendig das Verfahren ist, in dem die Rundbarren gefertigt werden. Wo andere Hersteller ein bis zweimal »abschmecken« und den Toleranzbereich der einzelnen Elemente einer Legierung ausschöpfen, überprüfen die Mitarbeiter von LEICHTMETALL deutlich öfter, ob die »Aluminiumsuppe« auch dem entspricht, was sie sich vorstellen. Ist der Zinkgehalt zu wenig? Der Siliziumgehalt zu hoch? Fehlt noch etwas Magnesium? Das ermitteln die acht Mitarbeiter der Qualitätssicherung, indem sie kleine Proben aus dem Kessel abnehmen und einem eigens dafür entwickelten Roboter geben. Er schneidet die Probe auf und misst den Gehalt eines jeden Elements darin. »Auf diese Weise können wir einen deutlich kleineren Toleranzbereich einhalten.«
»Die Qualität unserer Legierungen steht an erster Stelle, da erlauben wir uns fast keine Toleranz.«
Harm Lange
Qualitätskontrolle per Ultraschall
Bei LEICHTMETALL wird zudem jede Charge mehrfach beprobt. »Die Qualität unserer Legierungen steht an erster Stelle, da erlauben wir uns fast keine Toleranz«, sagt Lange. Das gilt auch für die Analyse der gegossenen Rundbarren. Auf Wunsch des Kunden kann jeder Rundbarren mittels Ultraschalles überprüft werden. Dafür kommt der Barren in ein Wasserbad, wo er mithilfe modernster Technik vollständig untersucht wird. Auf diese Weise lassen sich winzige Lufteinschlüsse, Haarrisse und andere Unregelmäßigkeiten im Material entdecken. Dieser Service ist besonders interessant für Firmen, bei denen die Weiterverarbeitung mehrere Monate dauert, und es sehr ärgerlich und teuer wird, wenn das Produkt aufgrund eines minimalen Fehlers nicht fertiggestellt werden kann. »In den größeren Durchmesserklassen sind wir weltweit die Einzigen, die diese Art der Ultraschallüberprüfung anbieten«, sagt Lange.
Um überdurchschnittliche Qualität liefern und interessante Aufträge bekommen zu können, braucht man Mitarbeiter, die bereit sind, viel Herzblut und Engagement in ihre Arbeit zu investieren. Deshalb gesteht LEICHTMETALL seinen Beschäftigten ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit zu. »Bei uns darf jeder Mitarbeiter alle Fragen unserer Kunden beantworten und muss sich nicht erst bei zig Vorgesetzten erkundigen, wie die offizielle Antwort zu lauten hat«, sagt Lange. »Natürlich können dabei auch Fehler passieren. Aber das Schlimmste, was man tun kann, ist gar nichts zu entscheiden.« Dieser pragmatische und ergebnisoffene Ansatz hat zur Folge, dass die Beschäftigten sich in ihrer Kompetenz wertgeschätzt fühlen und ihre Arbeit als sinnhaft empfinden. »Wir haben sehr niedrige Krankheitsraten. Daran merken wir, dass unsere Beschäftigten Lust haben, zur Arbeit zu kommen und die Firma voranzubringen.«

Sterneküche für Metall: Beim Gießen der Rundbarren wird vor allem auf die Qualität geachtet.

So geht Perfektion: Die Referenzkörper dienen zur Kalibrierung der hochsensiblen Ultraschallanlagen.
Anspruchsvoller Job mit überdurchschnittlicher Bezahlung
Aufgrund des hohen Spezialisierungsgrades ist das Arbeiten bei LEICHTMETALL nichts für Menschen, die gern mal Fünfe gerade sein lassen. »Unsere Jobs sind sehr anspruchsvoll und wir fordern viel von unseren Beschäftigten. Aber dafür zahlen wir auch überdurchschnittlich gut«, sagt Lange. Zudem gibt es Extras wie eine Zusatzkrankenversicherung und kleine, aber wirkungsvolle Aufmerksamkeiten wie Eis an heißen Tagen oder einen »Döner-Freitag«.
Trotzdem fällt es der Firma zunehmend schwer, Nachwuchskräfte zu locken, vor allem für Stellen in der Verwaltung. »Vielen sind wir schlichtweg zu klein, sie verstehen die Bedeutung dessen, was wir hier tun, nicht«, sagt Lange, der selbst vor einigen Jahren aus der Unternehmensberatung zu LEICHTMETALL gewechselt ist. »Aber auch dem Anspruchsdenken vieler junger Leute können wir nicht gerecht werden. Obwohl wir viel zu bieten haben.« Die Firma bildet selbst nicht aus, denn die Tätigkeiten sind teilweise so speziell, dass man sie nur im Betriebsalltag bei LEICHTMETALL lernen und anwenden kann. Das macht die Jobs jedoch interessant für Quereinsteiger. Und diese müssen für die Produktion nicht einmal besondere Qualifikationen mitbringen. So erzählt Lange von einem Kollegen, der zuerst am Gemüsestand auf dem Großmarkt gearbeitet hat, bevor er bei LEICHTMETALL eingestiegen ist. Und der Mann, der als wahrer Zauberer am Schmelzofen gilt, hat seine Elektrikerausbildung einst abgebrochen. »Für uns ist das Mindset entscheidend, nicht zwangsläufig der Werdegang des Bewerbers«, so Lange.
Dennoch glaubt Lange daran, dass seine Firma nicht nur weiterbestehen, sondern auch weiter wachsen wird. Und die Chancen stehen grundsätzlich gut. Umfasste der Mitarbeiterstamm 2014 noch 29 Beschäftigte, so hat er sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. »Unser Aluminium ist für viele Produkte und Schlüsselindustrien essenziell. Wer also eine Tätigkeit mit Sinn sucht und bereit ist, sich auf unsere Küche einzulassen, der ist bei uns genau richtig. Unsere Wachstumsperspektiven haben sich durch die Übernahme durch Emirates Global Aluminium deutlich verbessert. Unser Unternehmen ist damit Teil des größten ›Premium-Aluminium‹-Produzenten der Welt.«