»Hilfe, meine Mitarbeiter sind ständig krank!«
Wie Fehlzeiten entstehen, warum Führungskräfte bei der Reduzierung von Arbeitsausfällen eine Schlüsselrolle spielen und wie individuelle Lösungen die Gesundheit der Beschäftigten fördern können – Dr. Stephan Sandrock vom ifaa gibt Tipps.
Fehlzeiten in Unternehmen haben in den letzten Jahren stark zugenommen, was weitreichende Folgen für Produktion und Wettbewerbsfähigkeit nach sich zieht. Auch die verbleibenden Beschäftigten sind betroffen, da sie häufig die entstehenden Lücken auffangen müssen. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, den Arbeitsalltag flexibel zu organisieren, um Ausfälle zu kompensieren. Doch was können Unternehmen und Beschäftigte konkret tun?
Stephan Sandrock, Leiter des Fachbereichs Arbeits- und Leistungsfähigkeit am ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, betont, dass Fehlzeiten nicht ausschließlich auf Krankheit zurückzuführen sind. »Genau betrachtet, unterscheiden wir zwischen drei Arten von Fehlzeiten: krankheitsbedingt, motivationsbedingt und betriebsbedingt.« Während krankheitsbedingte Fehlzeiten auf Erkrankungen basieren, gehören Abwesenheiten wegen Schulungen oder Weiterbildungen zu den betriebsbedingten Fehlzeiten. Motivationsbedingte Fehlzeiten entstehen hingegen, wenn Mitarbeiter »blau machen«.

Experte für den modernen Arbeitsalltag: Dr. Stephan Sandrock ist beim ifaa zuständig für den Bereich »Leistungsfähigkeit«.
Foto: Marcus Pietrek
»Ein Gesundheitsmanagement mit strukturiertem Arbeitsschutz und ergänzenden Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung kann unterstützen, krankheitsbedingte Ausfälle zu verhindern.«
Dr. Stephan Sandrock
Auch Jahreszeit und Arbeitsmarktlage beeinflussen Fehlzeiten
Die Ursachen für Fehlzeiten sind vielfältig und lassen sich in drei Bereiche gliedern: private, berufliche und gesellschaftliche Einflüsse. Dazu erklärt Sandrock: »Im privaten Umfeld spielen Faktoren wie Familienstand, Lebensalter und Qualifikation eine Rolle. Im beruflichen Bereich sind es unter anderem Führungssysteme, Organisation und Arbeitsplatzsicherheit. Auch gesellschaftliche Größen wie die Jahreszeit, die Arbeitsmarktlage oder die Konjunktur beeinflussen Fehlzeiten.«
Um Fehlzeiten zu reduzieren, empfiehlt Sandrock eine systematische Analyse: »Unternehmen sollten betrachten, wer in welchen Abteilungen abwesend ist und aus welchem Grund. Wie ist der Betrieb organisiert?« Sinnvoll sei auch eine Altersstrukturanalyse und die ergonomische Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Er betont dabei, dass jedes Unternehmen individuelle Voraussetzungen hat und eigene Lösungen entwickeln muss.
Strukturiertes Gesundheitsmanagement hilft, Ausfällen vorzubeugen
Führungskräfte spielen dabei eine entscheidende Rolle. »Ihre Aufgabe ist es, mit den Beschäftigten ins Gespräch zu kommen. Dazu gehört, überhaupt wahrzunehmen, dass der Mitarbeiter krank ist, und sich nach seiner Rückkehr nach dem Befinden zu erkundigen.« Gemeinsam könnten Lösungen zur Gesunderhaltung gefunden und die Arbeitsumgebung an die Bedürfnisse angepasst werden. Auch organisatorische Rahmenbedingungen wie ergonomische Schichtsysteme oder gut strukturierte Arbeitsprozesse tragen zur Prävention bei. Sandrock ergänzt: »Ein Gesundheitsmanagement mit strukturiertem Arbeitsschutz und ergänzenden Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung kann unterstützen, krankheitsbedingte Ausfälle zu verhindern.«
Doch auch die Beschäftigten selbst stehen in der Verantwortung. »Beschäftigte sollten ihre eigene Gesundheit und Arbeitsfähigkeit aktiv fördern – durch regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf.« Es sei wichtig, frühzeitig Anzeichen von Überlastung zu erkennen und rechtzeitig zu melden. Ein offenes Gespräch mit Vorgesetzten sei hierbei unerlässlich.
BEM – betriebliches Eingliederungsmanagement
Bei einem krankheitsbedingten Ausfall von mehr als 6 Wochen oder 42 Tagen sind Arbeitgeber verpflichtet, ein sogenanntes BEM Gespräch anzubieten. Wie ein BEM-Gespräch pragmatisch und trotzdem rechtssicher gestaltet werden kann, erklärt unsere Arbeitsrechtsexpertin Katja Hüser im X4B-Seminar »Betriebliches Eingliederungsmanagement« am Dienstag, 3. Juni 2025. Das Online-Seminar findet von 9 bis 13 Uhr statt.
Weitere Informationen und Anmeldung unter x4b.de/seminare
Pandemie hat gezeigt, dass flexible Lösungen möglich sind
Hinsichtlich der jüngeren Generation und ihrem Verhalten bei Krankmeldungen räumt Sandrock ein: »Man darf nicht alle über einen Kamm scheren. Was Krankmeldungen erleichtert hat, war sicherlich die telefonische Krankschreibung. Doch eine Krankschreibung bedeutet nicht, dass man bis zu deren Ende zu Hause bleiben muss. Es handelt sich um eine Empfehlung des Arztes.« Er spricht von der sogenannten »Bettkantenentscheidung«: »Sind meine Beschwerden so groß, dass ich nicht arbeiten kann, melde ich mich krank. Habe ich nur ein leichtes Kratzen im Hals, kann das Arbeiten mit Mundschutz möglich sein. Für Beschäftigte im administrativen Bereich wäre Homeoffice eine Alternative.« Gerade die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie hätten gezeigt, dass flexible Lösungen möglich sind, um Fehlzeiten zu reduzieren und zugleich die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen.